In Quickborn öffnen auf dem ehemaligen Betriebshof des Torfwerks am Himmelmoor die im Aufbau befindliche Gedenkstätte ‚Henri-Goldstein-Haus‘ und die Werkstatt der Torfbahn mit dazugehöriger Nissenhütte von 11 bis 17 Uhr ihre Türen.
Das Henri-Goldstein-Haus und die Nissenhütte sind Teil des historischen Gebäudeensembles, das noch weitgehend im Originalzustand besteht. Sie stellen zusammen mit der Torfbahn einen einzigartigen Kulturschatz in Schleswig-Holstein und der Metropolregion Hamburg dar. Erstmals kann die Neugestaltung des Platzes zwischen den Gebäuden bewundert werden. Er wurde mit Fördermitteln der Aktivregion Holsteiner Auenland, finanzieller Unterstützung der Stadt Quickborn und Spenden sowie einem großen ehrenamtlichen Arbeitseinsatz in den historischen Kontext zurückversetzt.
Dazu wurden neuzeitliche Schutzdächer zurückgebaut und ein neuer Belag aufgebracht. Der alte Gleisverlauf der Torfbahn zwischen den Gebäuden wurde auf der Basis von Ausgrabungen und alten Bildern wiederhergestellt. Auch Teile des ehemaligen Gefangenenzauns wurden wieder sichtbar gemacht und stellenweise neu errichtet. Der Bereich ist nun auch für mobilitätseingeschränkte Personen bei allen Wetterlagen begehbar.
Das an den Platz grenzende Henri-Goldstein-Haus wurde 1936 zur Erhöhung der Anzahl der Arbeiter zum Torfabbau gebaut. Hier waren zunächst Strafgefangene aus Gefängnissen und von 1942 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 jüdische Kriegsgefangene überwiegend aus Frankreich untergebracht.
Mitglieder des Träger- und Fördervereins Henri-Goldstein-Haus Quickborn e.V. erläutern die einzelnen Räume und die Lebensbedingungen der jüdischen Kriegsgefangenen. Die Nissenhütte ist die einzige noch am ursprünglichen Standort vorhandene Nissenhütte im authentischen Erscheinungsbild. Sie wurde in der Nachkriegszeit an die schon 1915 errichtete ehemalige Schmiede angebaut und war die Werkstatt des Torfwerks. Mit ihrer unveränderten technischen Ausstattung dient sie noch heute der Wartung und Instandsetzung der verschiedenen Lokomotiven und Gerätschaften, von denen einige auf dem Betriebshof zu bewundern sind.
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Torfbahn Himmelmoor e. V. erklären gerne die historische Ausstattung und ihre aktuelle Arbeit. Gäste mit Oldtimern dürfen nach vorheriger Absprache mit den Mitgliedern der Torfbahn auf dem Betriebshof parken. Die Arbeitsgemeinschaft Torfbahn Himmelmoor e. V. bietet zudem einen Schuttlebetrieb zwischen dem Parkplatz am Himmelmoor in der Himmelmoorchaussee 61, wo auch das Torfwerk seine Tore öffnet und von Mitgliedern des Fördervereins Himmelmoor e.V. erläutert wird, und dem Betriebshof in der Himmelmoorstraße 4 an. Der Eintritt in die Gebäude ist frei. Für die Shuttlezüge können Tageskarten zum Preis von 2 Euro am Zug erworben werden.
In der vergangenen Woche trafen sich die mit der Geschichte des Henri-Goldstein-Hauses befassten Historiker und Historikerinnen zu einem Arbeitstreffen in Quickborn. Gekommen waren Dr. Christophe Woehrle aus Frankreich, Dr. Janine Doerry vom wissenschaftlichen Beirat des Vereins, Dr. Karsten Wilke, der im Auftrage des Henri-Goldstein-Hauses derzeit eine umfangreiche Darstellung der Geschichte der Zwangsarbeit im Quickborner Himmelmoor verfasst, Amelie Berking, eine unserer beiden gedenkstättenpädagogischen Mitarbeiterinnen, Matthias Fischer-Willwater, der den Verein schon lange mit seinen Forschungsergebnissen begleitet und natürlich der Vorstand des Träger- und Fördervereins Henri-Goldstein-Haus.
Auslöser des Treffens war das Angebot von Herrn Dr. Woehrle, uns seine Forschungsergebnisse aus den vergangenen Jahren zu den jüdischen Kriegsgefangenen aus Frankreich vorzustellen, die hier im Quickborner Himmelmoor, im Arbeitskommando 1416, dem heutigen Henri-Goldstein-Haus, untergebracht waren. Im Anschluss an den Vortrag waren sich die anwesenden Fachleute und der Vorstand einig, dass es sich hierbei um einen hervorragenden wissenschaftlichen Fundus zur Geschichte der Häftlinge im Henri-Goldstein-Haus handelt, den der Verein gerne übernehmen würde und so wurde schnell eine Verständigung über den Ankauf dieser Daten erreicht. Jetzt geht es darum, Sponsoren für dieses wichtige Projekt zu finden.
Als Geschenk brachte Dr. Woehrle eine Kopie der sog. "Böhner-Liste" in Originalgröße mit, auf der die Namen, Beruf, Geburtsdatum und weitere Informationen von 48 der insgesamt 53 Kriegsgefangenen im Henri-Goldstein-Haus verzeichnet sind. Sie war dem Verein vor ca. 3 Jahren zum Kauf angeboten worden, ging dann aber an das Musée Mémorial Walbourg 1870-1945 im Elsass. Diese Liste sowie eine weitere, die der Rabbiner Ernest Gugenheim aufgestellt hatte, der zu den Gefangenen im Henri-Goldstein-Haus gehörte, sind elementare Bestandteile der Forschung zu den Schicksalen der Insassen des Henri-Goldstein-Hauses. Der Besuch war eingebettet in ein umfangreiches Rahmenprogramm und dem Wunsch, dieses Treffen in Zukunft zu wiederholen.
von links: Dr. Karsten Wilke, Renate Hensel, Amelie Berking, Christiana (Christel) Lefebvre, Dr. Janine Doerry, Jens-Olaf Nuckel, Gisela Maier, Harald Maniezki, Enno Hasbargen, Matthias-Fischer-Willwater und Dr. Christophe Woehrle.
Übergabe einer Kopie der sog. Böhner-Liste durch Dr. Christophe Woehrle an den Vorsitzenden Jens-Olaf Nuckel
Seit dem 22.3.2022 ist das Henri-Goldstein-Haus auch offiziell eine Gedenkstätte. Und als solche ein Denkmal von nationaler kultureller Bedeutung (lt. Bescheid des Landesamts für Denkmalpflege Schleswig-Holstein vom 28.02.2022)
Mit einer Feierstunde in Anwesenheit vieler Unterstützer des Henri-Goldstein-Hauses übergab Staatssekretär Dr. Oliver Grundei, zuständig für Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein den Zuwendungsbescheid in Höhe von 200.000 Euro an den Vorsitzenden des Träger- und Fördervereins Henri-Goldstein-Haus e.V., Jens-Olaf Nuckel. Damit haben wir nun den Punkt erreicht, an dem wir auch offiziell eine Gedenkstätte sind. Den Zusatz „Gedenkstätte in Planung“ haben wir mit dem heutigen Tage gestrichen.
Mit diesem Geld werden wir nun die Sanierung des Gebäudes starten, und zwar vor allem die Sanierung des Daches, der Fenster und des Dachstuhls. Auch können wir jetzt mit der Suche nach einem Historiker oder einer Historikerin beginnen, um die Forschung zur Geschichte des Kriegsgefangenenlagers 1416, d.h. des Henri-Goldstein-Hauses zu vertiefen.
Unterstützung wurde uns auch vom Vorsitzenden der Bürgerstiftung Schleswig-Holstein, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet zugesagt, der uns auch bislang schon mit Zuwendungen für unsere jährlichen öffentlichen Konzerte und die beiden neuen Mitarbeiterinnen, die als Guides für den Kontakt zu Schulen arbeiten, unterstützt hat. Prof. Fouquet wies insbesondere darauf hin, dass es für den langfristigen Betrieb weitere Unterstützung für die laufenden Kosten geben müsse. Da werde die Bürgerstiftung mit dabei sein, es aber ohne das Engagement des Kreises und der Stadt nicht allein schaffen.
Sowohl der Kreispräsident des Kreises Pinneberg, Helmuth Ahrens als auch der Quickborner Bürgermeister Thomas Köppl sagten in ihren Ansprachen ihre Unterstützung zu.
Dank gab es aber auch umgekehrt von den Vertretern des Landes, des Kreises, der Bürgerstiftung und der Stadt an die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Henri-Goldstein-Hauses, ohne die es diesen Ort nicht gäbe. Über diesen Dank haben wir uns sehr gefreut. Jetzt beginnt nach über 20 Jahren der Vorbereitung die intensive Nutzung des Henri-Goldstein-Hauses. Darauf freuen wir uns alle und laden alle Besucher und Besucherinnen ein, uns zu begleiten und zu unterstützen.